Kreisausländerbeirat Gießen

Fluchtursachen und Eingliederung: Ausländerbeiräte befragen Bundestagskandidat*innen

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Fluchtursachen und Eingliederung

Wahlkampfthema Migration: Ausländerbeiräte von Stadt und Landkreis stellen Politikern Fragen

Die Ausländerbeiräte von Stadt und Kreis Gießen diskutierten im Landratsamt mit (v. l.) Zeynal Sahin (Ausländerbeirat Stadt), Tim van Slobbe (Ausländerbeirat Kreis), Ali Al-Dailami (Die Linke), Katrin Schleenbecker (Bündnis 90/Die Grünen), Matthias Körner (SPD), Engin Eroglu (Freie Wähler), Carsten Seelmeyer (FDP) und Dr. Helge Braun (CDU). (Foto: hin)

Nach einer gemeinsamen Sitzung zum Thema Rechtspopulismus trafen sich die Mitglieder der Ausländerbeiräte von Stadt und Landkreis Gießen erneut. Diesmal standen Fragen wie Familienzusammenführung von Geflüchteten, Eingliederungsmaßnahmen und Fluchtursachenbekämpfung auf der Tagesordnung. Als Gesprächspartner waren Vertreter von für den Bundestag kandidierenden Parteien eingeladen worden. Die Sitzungsleitung hatten Tim van Slobbe (Ausländerbeirat Kreis) und Zeynal Sahin (Ausländerbeirat Stadt).

Es geht auch um Wohnungsbau

Der Beirat hatte sechs Fragen formuliert. Den Gästen war aber überlassen, worüber sie in den ihnen zugestandenen zehn Minuten sprechen wollten. Dr. Helge Braun (CDU) betonte das Zusammenspiel von Bund und Ländern bei der Bewältigung der Flüchtlingssituation. Deutschland habe Beachtliches geleistet und aus der Not eine Tugend gemacht. Braun skizzierte Beiträge zur Integration und Förderung des Wohnungsbaus – dies im Spagat zwischen angestammter Bevölkerung und Zuwanderern. In puncto Wohnungsbau erinnerte er an Leerstände im ländlichen Raum und sprach von der Notwendigkeit, Strukturen zu erhalten.

Engin Eroglu (Freie Wähler) stammt aus Ziegenhain. Er ist in Deutschland aufgewachsen, hat einen deutschen Pass, betrachtet Deutschland – obwohl türkischer Abstammung – als sein Heimatland und hat sich beruflich etabliert. Wegen seines Namens werde er aber als Migrant betrachtet – »ein Migrant ohne Migrationserfahrung«, meinte Eroglu. Er sprach von fehlgeleiteter Entwicklungspolitik (»Export von Hühnerabfällen nach Afrika«). »Wir verhindern den Aufbau dortiger Strukturen und wundern uns dann, wenn Flüchtlinge kommen«, kritisierte Eroglu.

Matthias Körner (SPD) plädierte für eine »Renaissance des sozialen Wohnungsbaus«. Er beklagte die »Deals mit postkolonialen Machtcliquen«, hob aber hervor, dass man zugunsten von Strukturverbesserungen auch mit Leuten sprechen müsse, »die einem nicht in den Kram passen«.

Katrin Schleenbecker (Bündnis 90/Die Grünen) forderte eine menschenrechtsorientierte Außenpolitik. Außerdem forderte sie die Schaffung sicherer und legaler Fluchtwege. Der Klimawandel werde weitere Flüchtlingsströme bescheren, befürchtete Schleenbecker. Sie betonte die Notwendigkeit der Familienzusammenführung.

Ali Al-Dailami (Die Linke) ist Sohn politischer Flüchtlinge aus dem Jemen. Er hat Erfahrung mit einem jahrzehntelangen Asylverfahren. Seine Biografie erkläre, warum er sich bei den Linken engagiere, meinte Al-Dailami. Aufgrund von Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien gab er Deutschland eine Mitschuld am gegenwärtigen Krieg im Jemen. Al-Dailami plädierte für einen Schuldenschnitt, damit Länder, »deren Herrscher nie gewählt wurden«, eine Chance hätten, aus ihrer Misere herauszukommen.

Als letzter Redner kam Carsten Seelmeyer (FDP) zu Wort. Er rief dazu auf, Einwanderungspolitik nicht mit Asylpolitik zu vermischen, und er forderte Bildung für alle, auch für jene, die später in ihre Heimat zurückkehren können oder müssen. Zur Frage des Doppelpasses antwortete Seelmeyer mit einem klaren »Nein«.

Gießener Allgemeine, 14.09.2017