Kreisausländerbeirat Gießen

Gießener Anzeiger zum Prozess Van Slobbe gegen AfD

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KREIS GIESSEN - "Super. Ich habe schon gedacht, dass das so ausgeht, aber man ist ja trotzdem nervös." Tim van Slobbe, Vorsitzender des Kreisausländerbeirates, darf weiterhin behaupten, dass die Alternative für Deutschland (AfD) im Kreis "deutlich rechtsextreme Merkmale" aufweist. Dies sei eine Meinungsäußerung, die im politischen Disput hinnehmbar sei. Dr. Oliver Buckolt, Richter am Landgericht, gab damit der negativen Feststellungsklage des Dorf-Güllers gegen AfD-Mitglieder aus dem Kreis, namentlich dem jetzigen AfD-Bundestagsabgeordneten Uwe Schulz, dem Landtagskandidaten Nikolaus Pethö und dem AfD-Fraktionsvorsitzenden im Kreistag, Karl Heinz Reitz, statt. Eine Berufung beim Oberlandesgericht wäre möglich, nachdem das Urteil den Beklagten vollständig vorliegt.

Der 53-jährige van Slobbe hatte in seiner Eigenschaft als Kreisausländerbeiratsvorsitzender, aber auch als Privatperson in einer Rede öffentlich und im Internet in einem Video das AfD-Gebaren im Kreis analysiert, im Besonderen den Facebook-Auftritt der Partei. Die AfD ihrerseits, die seit 2016 im Kreistag sitzt, hatte die Abschaffung des Kreisausländerbeirates beantragt und soll, so van Slobbe in seiner Rede, Mitglieder des Kreisausländerbeirates beleidigt haben. Der Ältestenrat des Kreises tagte nach diesen Vorwürfen und brachte die AfD dazu, Kommentare gegen den Kreisausländerbeirat im Internet zu entfernen. Anzeigen gegen van Slobbe wegen Beleidigung und Verleumdung von AfD-Mitgliedern wurden eingestellt. In diesem Spannungsfeld hatte van Slobbe der AfD im Kreis wortwörtlich "deutlich rechtsextreme Merkmale" vorgeworfen.

Unterlassung

Das AfD-Trio versuchte, van Slobbe Ende 2017 zur Unterlassung zu zwingen, allerdings gerade nicht wegen dieses Teils seiner Rede, sondern wegen anderer Marginalien, so van Slobbe. Da der Dorf-Güller seine Positionen zur AfD weiterhin verbreiten wollte, aber befürchtete, immer wieder vor Gericht gezerrt zu werden, ließ er jetzt erfolgreich feststellen, dass er weiterhin seine Rede verbreiten und der AfD im Kreis "deutlich rechtsextreme Merkmale" vorwerfen kann.

"Das Wanka-Urteil spielt keine Rolle. Ich muss meinen Kaffee wie immer selbst kochen", lachte van Slobbe nach der Verkündung. Als am 2. März vor dem Landgericht ein Gütetermin stattfand, hatte gerade das Bundesverfassungsgericht der damals noch amtierenden Bundesbildungsministerin Johanna Wanka einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot bescheinigt. Wanka hatte es zugelassen, dass auf der Internetseite ihres Ministeriums gegen die AfD geschossen wurde.

Buckolt sah jedoch nicht, dass das Amt eines Kreisausländerbeauftragten eine administrative (verwaltungsbezogene) Funktion habe und damit das Neutralitätsgebot von Staatsdienern die Meinungsäußerungsfreiheit beschränke.

Es musste daher zwischen den Meinungsäußerungen van Slobbes und den Persönlichkeitsrechten der Beklagten abgewogen werden. Der Richter bezog sich in der Begründung auch auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, nach dessen Einschätzung die Äußerung "rechtsextrem" eine Meinungsäußerung sei. Es handelte sich auch nicht um Schmähkritik oder eine Formalbeleidigung, sondern sei im Kontext der politischen Auseinandersetzung gefallen. Hier seien auch scharfe Angriffe hinzunehmen.

Reitz: Eigene Liste

"Wir haben, seitdem wir im Kreistag sitzen, viel dazugelernt. Dazu gehört auch, dass es zweckmäßiger ist, die politische Auseinandersetzung voranzutreiben. Wir wollten wissen, ob der Kreisausländerbeiratsvorsitzende dem Neutralitätsgebot unterworfen ist. Das wissen wir jetzt. Dabei wollen wir es auch belassen", sagte Reitz, der gegen das Urteil nicht weiter vorgehen will. Er hoffe, dass der Kreisausländerbeirat durch den angestrebten Integrationsbeirat ersetzt werden könne. Dafür werde sich die AfD einsetzen. Zudem kündigte er an, dass seine Partei bei den nächsten Ausländerbeiratswahlen im Kreis eine eigene Liste aufstellen werde.

Gießener Anzeiger, 25.03.2018