Vorstellung
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Der Ausländerbeirat des Landkreises Gießen:
Vorsitzende: Zeynep Adigüzel
Stellvertretende Vorsitzende: Polina Turiyanskaya
Weitere Vorstandsmitglieder: Melek Adigüzel, Jean-Marcel Dossou, Muriel Lüdke Campos-García, Khanpadeshah Mohamadi, Vecihe Seyfaldin
Weitere Mitglieder: Hediye Acar, Fevzi Ünal, Pavlo Rozbytskyi, Maksim Fokin, Taner Kaya, Ferhad Seyfaldin, Sarah Karjee, Nader Madjidijan, Hervé Ngulu Boka, Stergios Svolos, Zana Tahlo
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Fragen an die Politiker vor der Landtagswahl 2013:
(für die KAB-Sitzung am 27.08.2013)
1. Partizipation. Wie sehen Sie die Zukunft der Ausländerbeiräte?
2. Schule. Wie will Ihre Partei dazu beitragen, dass Inklusion tatsächlich umgesetzt werden kann und nicht am Ressourcenvorbehalt scheitert?
3. Schule. Wie stehen Sie zu unserer Forderung, außerschulisch erworbene Sprachkenntnisse als Schullaufbahnrelevante Leistung anzuerkennen? (Z.B. Anerkennung der Muttersprache als „2. Fremdsprache“)
4. Diskriminierung. Welche strukturellen Maßnahmen wollen Sie auf Landesebene etablieren, um gegen Diskriminierung vorzugehen?
5. Xenophobie. Untersuchungen haben gezeigt, dass Rassismus und menschenverachtende Haltungen nicht nur ein „rechtsradikales Randphänomen“ sind, sondern in der Mitte der Gesellschaft verankert und weit verbreitet. Welche Konzepte schlägt Ihre Partei vor, um Rassismus und Fremdenfeindlichkeit entgegen zu wirken?
6. § 31 Aufenthaltsgesetz. Unser Arbeitskreis Migrantinnen hat zwei Forderungen formuliert, die viele mit Deutschen verheiratete ausländische Frauen betrifft:
a) Die Dauer der ehelichen Lebensgemeinschaft, die bei Trennung oder Scheidung Zugang zu einem eigenständigen Aufenthaltsrecht erlaubt, soll wieder zwei Jahre betragen, in besonderen Härtefällen unter zwei Jahren.
b) Die Dauer des Bezugs von Sozialhilfe, die nach Trennung oder Scheidung erlaubt ist bis der Lebensunterhalt selbständig gesichert werden kann, soll auf mindestens 2 Jahre ausgedehnt werden.
Ist Ihre Partei bereit, diese Forderungen auf Bundesebene zu unterstützen?
7. Älter werden in Deutschland. Welche Nachhaltigen gesundheitsfördernden und präventiven Strukturen/Pflegemaßnahmen schlagen Sie vor, um eine migrantengerechte Altersbetreuung und Altersversorgung zu gewähr-leisten?
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Aufgaben und Funktion der Ausländerbeiräte
Primäre Aufgabe von Ausländerbeiräten ist die Interessenvertretung von Ausländerinnen und Ausländern durch Beratung der kommunalpolitischen Gremien. Sie nutzen die ihnen gegebenen Möglichkeiten zum intervenieren und zur Öffentlichmachung von Problemfeldern, beraten die kommunalpolitischen Entscheidungsträger in Fragen, die die ausländischen Einwohnerinnen und Einwohner betreffen und erarbeiten Lösungsvorschläge. Dies erfordert intensive Kontakte und Gespräche mit Politik und Verwaltung, aber auch mit außerparlamentarischen Verbänden und Einrichtungen. Weiterhin vertreten sie die Interessen von Ausländerinnen und Ausländern auch gegenüber der Öffentlichkeit, tragen mit Veranstaltungen aller Art zu einer besseren Verständigung zwischen Deutschen und AusländerInnen bei und unterstützen die Selbstinitiative und Aktivität von AusländerInnen auf politischem, sozialem oder kulturellem Gebiet. Viele weitere Aufgaben ergeben sich aus der täglichen praktischen Arbeit.
Umsetzung der Aufgaben in der Legislaturperiode 2006-2010
Dem Ausländerbeirat des Landkreises Gießen (KAB) ist es in den fünf Jahren seiner Amtszeit gelungen, Politik und Öffentlichkeit auf eine Reihe von Problemfeldern aufmerksam zu machen, vielen Menschen in ihrer persönlichen Lage zu helfen, sein bereits bestehendes Netzwerk von unterstützenden Organisationen und Personen weiter auszubauen und – trotz seiner bescheidenen finanziellen Mittel – durch eine Reihe politischer und kultureller Veranstaltungen einen bedeutenden Beitrag zum Zusammenleben der Menschen im Landkreis Gießen beizutragen.
Schwerpunkte seiner Arbeit waren:
· Chancengleichheit in Kindergarten, Schule und Ausbildung
· Zugang zum Arbeitsmarkt
· Flüchtlinge, Fluchtursachen, Abwehr von Flüchtlingen
· Menschen ohne Aufenthaltsstatus („Illegalisierte“), Abschiebung
· Bleiberecht
· Einbürgerung und Optionspflicht
· Integration
· Sprach- und Integrationskurse
· niedrigschwellige Angebote, Kleinprojekte, Vereine und ehrenamtliche Initiativen
· Sozialarbeit
· Situation der Migrantinnen
· Älter bzw. Alt werden in Deutschland
· Migration und Gesundheit
· Rechtsextremismus
· Kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger
· Weiterentwicklung der Ausländerbeiräte
Die Themen Bildung, Ausbildung, Zugang zu Schulabschlüssen bildeten einen Schwerpunkt der Arbeit – wie auch in der vorherigen Legislaturperiode. Dabei stellte der Ausländerbeirat nur leicht rückläufige Zahlen von Einweisungen von Migrantenkindern in die Sonderschulen (heute Förderschulen genannt) fest. Die frühe Selektion ab Klasse 4 benachteiligt Migrantenkinder, deren Anteil an den höheren Schulabschlüssen nach wie vor zu gering ist, ganz besonders und wird deshalb vom Ausländerbeirat abgelehnt.
Das ganze System der Absonderung gehört auf den Prüfstand, langes gemeinsames Lernen statt Ausgrenzung und Selektion wird gefordert. Hoffnung auf Veränderung besteht durch erste vorsichtige Inklusionsprojekte.
Auch der Zugang zu Ausbildungsplätzen ist für Jugendliche mit Migrationshintergrund noch immer schwierig.
Diese Themen, sowie auch die frühe Förderung von Kindern im Vorschulalter, waren Gegenstand vieler Sitzungen, Gespräche und Veranstaltungen – es ging darum, die Probleme zu erkennen, sie öffentlich zu benennen und Lösungswege vorzuschlagen.
itglieder des Ausländerbeirates arbeiteten auch im Rahmen anderer Projekte und Initiativen intensiv mit Kindern und Jugendlichen. Diese und andere Initiativen, die die Benachteiligung im Schulsystem etwas ausgleichen wollen, wurden unterstützt.
Ein weiterer wichtiger Themenkomplex war der juristische Rahmen, in dem Nichtdeutsche leben. Der Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft und die in den nächsten Jahren auf viele junge Doppelstaatler zukommende und von der Politik noch nicht zufriedenstellend gelöste „Optionspflicht“ waren ein Bereich, mit dem sich auch der künftige Ausländerbeirat sicherlich konfrontiert sehen wird.
Die Fragen rund um die 2007 beschlossene „Bleiberechtsregelung“ wurden in zahlreichen Veranstaltungen und Gesprächen erörtert. Etliche Familien im Landkreis Gießen konnten durch die Bleiberechtsregelung endlich eine Perspektive auf dauerhaften Aufenthalt erhalten. Das Problem des erschwerten Zugangs zum Arbeitsmarkt bleibt jedoch für viele Betroffene bestehen. Der Ausländerbeirat wurde wiederholt mit dem Problem der Erteilung von Arbeitsgenehmigungen konfrontiert und vor allem auch mit der Tatsache, dass die angebotenen Jobs aus dem Niedriglohnsektor oft nicht ausreichend sind, um den Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme ergänzender staatlicher Unterstützung zu sichern. In ca. 20 Fällen konnten die Behörden noch keine gesetzlich abgesicherte Lösung für einen Aufenthalt finden – der Ausländerbeirat strebt auch für diese Personen Wege aus den „Kettenduldungen“ an und wird diese Bestrebungen in der kommenden Legislaturperiode weiter verfolgen.
Flucht und Asyl waren auch in anderen Zusammenhängen im Blickfeld, etliche Aktivitäten des Ausländerbeirates dienten der Information über Fluchtursachen in Ländern wie Türkei, Irak, Iran und Afghanistan, über das deutsche Asylverfahren, über die Unterbringung und sehr eingeschränkten Lebensbedingungen von Asylbewerbern sowie über die Abwehr von Flüchtlingen durch die europäische Grenzschutzagentur FRONTEX.
Durch seine Mitgliedschaft und sein Mitwirken bei der Initiative save-me-giessen setzt sich der Ausländerbeirat für die Aufnahme von mehr Flüchtlingen in Deutschland im Rahmen von UNHCR-Resettlementprogrammen ein.
Auf die dunkelsten Schattenseiten der abwehrenden Asyl- und Flüchtlingspolitik, die Abschiebungen und die Illegalisierung von Menschen – auch im Landkreis Gießen, wurde unter anderem durch das Zeigen der Austellung „kein mensch ist illegal“ und der beiden Filme „Abschiebung im Morgengrauen“ und „Verlorene Jahre“ aufmerksam gemacht. Der Film „Verlorene Jahre“ von Dorothea Kaden zeigt das Porträt einer jungen Frau aus dem Landkreis Gießen, die in der „Illegalität“ leben musste. Nach der Veröffentlichung des Filmes und dem Einsatz einer Wetzlarer Flüchtlingsinitiative in Zusammenarbeit mit dem KAB, konnte der jungen Frau nach Jahren wieder Aufenthaltsstatus und geregelter Schulbesuch ermöglicht werden.
Der Frage wie eigentlich der allgegenwärtige Begriff „Integration“ zu definieren sei, ging der Ausländerbeirat in seinem Tagesworkshop „Integration – was kann der/die Einzelne, was die Gesamtgesellschaft beitragen?“ nach. Positionen wurden unter anderem zu Integration im Allgemeinen, zur Berlin-Studie und zu den Integrationsmaßnahmen der Bundesregierung erarbeitet.
Der Ausländerbeirat informierte sich über die sogenannten Integrationskurse und zog kritische Bilanz. Er arbeitete mit Kursträgern und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zusammen und unterstützte auch Einzelpersonen mit erschwertem Zugang zu den Sprach- und Integrationskursen.Um die Effektivität und Kreativität von niedrigschwelligen Angeboten zu zeigen, stellte der KAB zahlreiche Kleinprojekte und ehrenamtliche Initiativen vor, die allesamt einen wertvollen Beitrag zur Integration im Landkreis Gießen beitragen.
Der Ausländerbeirat beobachtete die Entwicklung der rechten Szene im Landkreis und in der Region und wurde mehrmals von Personen aufgesucht, die um Unterstützung baten, weil sie Opfer von Rassismus und Diskriminierung geworden waren. Ausländerfeindliche Drohbriefe und Brandstiftungen waren konkrete Anlässe.
Weitere Themenbereiche wie Gesundheit und Interkulturelle Medizin wurden behandelt, der Themenkomplex „Älter werden in Deutschland“ wurde durch eine Reihe von Vorträgen und Gesprächen zur Rente, Pflegeversicherung, Palliativpflege und Bestattungspraxis berücksichtigt und jährliche Beiträge zu den Veranstaltungen zum Internationalen Frauentag machten auf die besonderen Lebenslagen von Migrantinnen aufmerksam.
Intensiv war in dieser Wahlperiode auch die Mitarbeit in der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen (agah), wo der KAB durch diverse Anträge das
(eine umfassende Handlungsempfehlung für die Landesregierung) mit gestaltete und sich in der AG Weiterentwicklung der Ausländerbeiräte mit eindeutigen Positionen für Erhalt und Ausbau der hessischen Ausländerbeiräte als echte Interessensvertretungen engagierte.
Zur praktischen Unterstützung für Migrantinnen und Migranten wurde eine kostenlose juristische Sprechstunde eingerichtet, in der ein auf Ausländerrecht spezialisierter Anwalt Ratsuchenden Fragen im Zusammenhang mit Problemen beantwortet, die sich aus ihrer Situation als Zugewanderte ergeben. Außerdem wurden, wie bereits erwähnt, zahlreiche Vereine, Initiativen und Einzelpersonen unterstützt.
Zum Schluss sei auf die wichtigsten Partner und Gremien hingewiesen, ohne die keine Öffentlichkeitsarbeit möglich gewesen wäre:
- die Kreisorgane, die Kreisverwaltung, der ehemalige Landrat Willi Marx und die neue Landrätin Anita Schneider
- der neue Dezernent für Migration und interkulturelle Angelegenheiten, Dirk Haas
- alle politischen Fraktionen – insbesondere ihre Delegierten für den Ausländerbeirat
- die Kirchen und Wohlfahrtsverbände
- zahlreiche Vereine
- die Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen und der Landesausländerbeirat (agah/LAB)
- die Kommunen
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Den Auftakt für die Wahl des Ausländerbeirats am 7. November bildete ein Infostand in der Fußgängerzone. Die Ausländerbeiräte sind die Vertretung der Migrantinnen und Migranten in Stadt und Landkreis. am Stand sprachen der Europaabgeordnete Dr. Udo Bullmann (SPD) und MdB Dr. Hele Braun (CDU) mit interessierten Passanten. Parallel zu den Informationen in Form von Flyern und persönlichen Gesprächen konnten an dem Stand Unterschriften für das kommunale Wahlrecht für alle Ausländerinnen und Ausländer geleistet werden. Bundestag und Bundesrat werden aufgefordert, den Weg zum kommunalen Wahlrecht für alle durch eine Änderung des Grundgesetzes freizumachen.
Gießener Anzeiger, 5. Oktober 2010
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Rückblick auf das Jahr 2009 und Vorausschau auf das Wahljahr 2010
Ansprache der Vorsitzenden, Françoise Hönle, zum Neujahrsempfang 2010 und zum 15jährigen Jubiläum des Kreisausländerbeirates
Nachdem wir anlässlich des 15jährigen Jubiläums des Ausländerbeirats des Landkreises Gießen auf die Gründungszeit und die Anfänge der Arbeit im KAB zurückgeblickt haben, möchte ich jetzt über das gerade abgelaufene Jahr 2009 berichten.Wie in den Jahren zuvor haben wir auf vielfältige Art und Weise an ebenfalls vielfältigen Themen gearbeitet, die alle eins gemeinsam haben: sie betreffen das Leben von Migranten und Migrantinnen und beeinflussen es.
Als Beratungsorgan können wir keine Entscheidungen treffen, wir können nur unsere Erkenntnisse, Erfahrungen und Positionen an Entscheidungsträger weiterleiten oder an die breite Öffentlichkeit.Wir tun dies auf unseren Plenarsitzungen, in verschiedenen Arbeitsgruppen oder auch in Form von Veranstaltungen.
Im Jahr 2009 haben wir etwas angefangen, was sich auch 2010 fortsetzen lässt: Wir haben Kleinprojekte von Migranten für Migranten oder von Deutschen für Migranten und Migrantinnen vorgestellt. Jede Initiative, jedes Projekt dieser Art ist ein Beitrag zur Integration und zur Lebensqualität der Menschen in unserem Landkreis. Vorgestellt wurden die Aktivitäten des Mesopotamischen Kulturvereins. Auch die Alevitische Gemeinde Gießen stellte seine Aktivitäten vor. Diese Vereine haben ihren Sitz in Gießen, die Mitglieder kommen aber auch von den Kreisgemeinden. Vorgestellt wurde die Betreuung von Migrantinnen in Buseck, wobei auf die Situation und Schwierigkeiten einzelner Personen eingegangen wird.Die Aufgabenhilfe des Forums für Völkerverständigung Lich, die von Caritas unterstützt ins 10. Jahr geht, war auch Gegenstand einer Präsentation. Ich möchte hier an 2 Projekte erinnern, die besonders im Gedächtnis geblieben sind: den von Abdelrahim en Nosse initiierten und von jungen Migranten gepflegten Obstgarten in Rödgen und die internationalen Stadtgärten hier in der Nähe, die von Frau Vipi Nurmi gegründet wurden. Auch niederschwellige Deutsch- und Alphabetisierungskurse wurden vorgestellt. Einige dieser Projekte waren eine Pionierleistung, sie tragen aber Früchte, es gibt Nachahmer und Multiplikatoren.
Ein anderer Schwerpunkt unserer Arbeit war das Leben von Menschen ohne Papiere. Der Film „Verlorene Jahre“, der vom ZDF ausgestrahlt wurde, berichtet über eine junge Frau aus unserem Landkreis, die 4 Jahre ohne Papier lebte. Dank Joachim Schäfer, aus Wetzlar, konnte die Familie vorerst mit Duldung aus dem Dunkeln der Illegalität heraus. Hier einen Dank an Joachim Schäfer und an die Regisseurin, Frau Dorothea Kaden. Der Film hatte bei der Vorführung in der ehemaligen Synagoge in Lich eine große Resonanz.
Im Jahr 2007 einigte sich die Innenministerkonferenz auf die Bleiberechtsregelung, eine Härtefallregelung für Menschen mit Duldung. Mit diesem Thema beschäftigten wir uns auch. Dies geschah in Zusammenarbeit mit der Gruppe „Bleib in Mittelhessen“. In diesem Zusammenhang sei auf die „Save me“ Initiative, die sich für die Aufnahme von Flüchtlingen stark macht und die Arbeit der Flüchtlingsseelsorge um Pfarrer Wilhelmy hingewiesen.
Schulsozialarbeit war Thema einer anderen Sitzung. Wir waren etwas zu früh dabei, eine Bilanz der Arbeit der Schulsozialarbeiter und -arbeiterinnen war noch nicht möglich. Wir machten uns mit der „aufsuchenden Sozialarbeit“ am Beispiel Lich vertraut.
Das Jahr 2009 war Wahljahr. Auch wenn viele von uns bei Bundestagswahlen nicht wahlberechtigt sind, werden wir alle von den Ergebnissen betroffen. Wir freuten uns, alle Spitzenkandidaten im Landkreis befragen zu können. Wir glauben, dass wir auch informieren konnten, denn manche Aspekte des Ausländerrechts sind nicht allen bekannt: Vorrangprüfung auf dem Arbeitsmarkt, Residenzpflicht und die ungeklärte Bedeutung der Frage nach beabsichtigter politischer Betätigung bei den Anträgen auf Aufenthaltserlaubnis und Einbürgerung seien hier genannt.
Außerhalb der Plenarsitzungen waren Mitglieder des KABs in verschiedenen Ausschüssen des Kreistags sowie an den Kreistagssitzungen beteiligt, wo wir Rederecht besitzen. Durch Ausländerbeauftragte verschiedener Parteien stehen wir im Kontakt mit den Fraktionen, was sich als sehr positiv erwiesen hat. Wir nahmen auch teil am Arbeitskreis Migrationsdienste und an den Sitzungen des Netzwerkes des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, das von Herrn Dr. Weyrauch initiiert wurde. Dort konnten wir unsere Kritik an den Integrationskursen vorbringen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Wir sind zuversichtlich, dass diese konstruktive Kritik positive Folgen haben wird.
An den Plenarsitzungen der agah (Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen und Landesausländerbeirat) beteiligten wir uns und versuchen auch dort Anträge einzureichen. Im Jahr 2009 ging es um Bleiberecht, um die Berlin-Studie, um Integrationskurse.
Der Kreisausländerbeirat war an der Aufführung des Theaterstückes „Die Verteidigung Deutschlands am Hindukusch„ beteiligt. Die Resonanz war sehr groß, anschließend konnte die Situation in Afghanistan an Ständen besprochen werden. Im Mittelpunkt stand Frau Omar-Olomi mit ihrem Schulprojekt „Bildung statt Krieg!“ in der Provinz Kabul.
Zum Schluss möchte ich auch erwähnen, dass wir uns mit der Zukunft der Ausländerbeiräte beschäftigt haben, ich werde noch auf dieses Thema, das uns weiterbeschäftigen wird, zurückkommen.
Neujahrsempfang bedeutet aber nicht nur Rückblick sondern auch Vorausschau, Blick in die Zukunft.
Das Jahr 2010 ist für uns Wahljahr. Am 7. November 2010 werden die hessischen Ausländerbeiräte neugewählt. Wir stehen vor einer großen Aufgabe. Unsere Wähler sind über 18 000 Personen aus sehr vielen Ländern, die in den 18 Städten und Gemeinden des Landkreises leben.Ich appelliere heute schon an alle, die heute hier sind, in ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis, in ihren Vereinen, Menschen dazu zu motivieren am 7. November zur Wahl zu gehen. Wähler brauchen wir, aber auch Menschen, die bereit sind sich für die Belange von Nicht-Deutschen zu engagieren. Wir wollen auch gleich heute mit Personen ins Gespräch kommen, die interessiert wären, bei diesen Wahlen zu kandidieren.Später wird es zu einem Treffen von künftigen Kandidaten und Kandidatinnen kommen. Bitte tragen Sie sich in die Liste ein, wenn Sie über die Arbeit der Ausländerbeiräte informiert werden möchten. Auf unserer Sitzung am 9. März in Pohlheim werden wir uns mit den Wahlen für die Ausländerbeiräte und der Bedeutung und Zukunft dieser Interessenvertretung befassen. Im Laufe der Diskussion über die Zukunft der Ausländerbeiräte, die seit 2008 in ganz Hessen in den Ausländerbeiräten geführt wurde, haben wir unseren Willen bekräftigt, die Interessenvertretung von Nicht-Deutschen zu bleiben. So hat es auch die Mehrheit der Hessischen Ausländerbeiräte gesehen. So werden wir auch 2010 versuchen, das Sprachrohr derjenigen zu sein, die lange keine Stimme hatten und im politischen Vokabular nicht vorhanden waren.
Ein Schwerpunkt unserer Arbeit wird 2010 die Schulpolitik sein. Wie schon vor 15 Jahren wird uns die Sonderschule, die heute Förderschule heißt, beschäftigen. Deutschland hat die Charta der Kinderrechte unterschrieben, niemand kann einen Umweg um dieses Problem machen und sagen, alles sei in bester Ordnung. Ganz im Sinne einer UNO-Resolution und der Ergebnisse des Herrn Munoz, der Deutschland im Auftrag der UNO bereiste, sollen möglichst viele Schüler und Schülerinnen in die Regelschule integriert werden. Einige von uns engagieren sich seit Jahren auf diesem Gebiet. Viele Mädchen und Jungen mit Migrationshintergrund werden am Anfang ihrer Schullaufbahn auf Grund von mangelnden Sprachkenntnissen und auch Ängsten vor der noch fremden Umwelt ausgegrenzt und in Förderschulen geschickt. Fast alle, die wir vor diesem Schicksal bewahren konnten, erwiesen sich als Schüler und Schülerinnen, die genauso viel wie andere, wenn nicht mehr, leisten können.
Wir werden uns mit der frühen Auslese in Klasse 4 beschäftigen. Dieses System wird von den regierenden Parteien in Berlin, in Hessen und in allen anderen CDU-FDP-regierten Ländern verteidigt. Es verhindert weitgehend den Aufstieg von Schülern und Schülerinnen aus sozial schwachen Familien. Wenige Politiker geben zu, dass das auch gewollt ist. Einer hat es getan. Herr Spaenle, der bayerische Kultusminister und neuer Präsident der KMK (Kultusministerkonferenz) hat gesagt: „Die Hauptschule „macht ein niederschwelliges Angebot“, „gerade für Jugendliche mit Migrationshintergrund“ Da sagen wir nein. Wir streiten um eine Schule für alle, für eine lange gemeinsame Schulzeit, für gleiche Chancen für alle.
Im Jahr 2010 werden wir auch die Bilanz des Bleiberechts ziehen müssen. Dazu werden wir erneut die Ausländerbehörde des Landkreises einladen.Die Hürden waren hoch, die Kriterien nicht immer sehr klar, wir wollen erfahren, wie nun die Situation sei.
Zum Schluss möchte ich sagen, dass gerade Zeiten von Wirtschaftskrisen Zeiten sind, in denen manche Sündenböcke suchen. Wir werden wachsam sein und die Augen nicht verschließen, auch wenn man uns entgegnet, es gäbe doch keine Probleme. Wir werden den Menschen, die Opfer von Diskriminierung und Ausländerfeindlichkeit sind, zur Seite stehen.
Auch im Jahr 2010 werden wir, im Rahmen unserer MöglichkeitenMenschen unterstützen, die unsere Hilfe brauchen. Dabei geht es um schulische Probleme, um Aufenthaltsprobleme und besondere Notsituationen.
Wir wollen im Jahr 2010 im Dialog mit den politischen Gremien des Landkreises bleiben, wir wollen im Kontakt mit möglichst vielen Migranten und Migrantinnen stehen. Wir wollen die Zusammenarbeit mit Vereinen verstärken.
Am 7. November 2010 wird gewählt! Bitte nicht vergessen!Wir brauchen Kandidaten und Kandidatinnen, die bereit sind, sich zu engagieren, wir brauchen eine höhere Wahlbeteiligung.
Gießen, den 29. Januar 2010