Modellversuch ein „Traum von gerechter Schule“
Begabungsgerechtigkeit: Kreis-Ausländerbeirat vernahm mit Lehrkräften die ersten Kreis-Offenbach Erfahrungen
Gießen/Buseck (hin). Vor allem Lehrkräfte und Mitglieder von Schulleitungen aus dem Landkreis hatten sich zur Sitzung des Kreis-Ausländerbeirats am Dienstagabend in der Gesamtschule Busecker Tal eingefunden. Mit großer Aufmerksamkeit verfolgten sie das Referat von Claudia May zur Gründung von begabungsgerechten Grundschulen im Landkreis Offenbach. May war als Vertreterin für Elke Tomala-Brümmer (Projektsteuerung pädagogische Fachberatung im Kreis Offenbach), die hatte absagen müssen, erschienen.Der vom Kultusministerium am 31. Januar 2009 genehmigte Schulversuch „Begabungsgerechte Schule“ ist ein schulorganisatorisches und pädagogisches Entwicklungsprojekt. Schüler mit Lernschwierigkeiten bleiben in ihren jeweiligen Grundschulen und erhalten dort die für sie notwendige Unterstützung. Auf sonderpädagogische Überprüfungsverfahren im Sinne der Schule für Lernhilfe wird verzichtet. Dafür werden den Schulen zusätzliche personelle und sächliche Ressourcen zur Verfügung gestellt, berichtete May. Die Verantwortung für den Unterricht bleibt bei den Lehrkräften. Die in das Projekt eingebundenen Sozialarbeiter sind Ansprechpartner für Lehrer, Eltern und Kinder. Im Landkreis Offenbach nehmen derzeit vier Grundschulen an dem Modellprojekt teil. Über einen Zeitraum von vier Jahren soll gezeigt werden, dass alle Schüler „begabungsgerecht“ beschult werden können, wobei die Heterogenität ihrer Ausgangslagen und Entwicklungsstände angemessen berücksichtigt wird, betonte die Referentin.
Inklusiv orientierte Unterrichtsgestaltung
Der Schuleversuch soll wesentliche Merkmale und Bedingungen der dazu erforderlichen pädagogischen Arbeit erkunden. Erprobt werden methodisch-didaktische Konzepte, die sich für eine inklusive orientierte Unterrichtsgestaltung eignen. Laut May wird jede Schule den Gedanken der Inklusion künftig ohnehin aufnehmen müssen, um die Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention zu erfüllen.Träger des Schulversuchs ist die Kreisverwaltung. Die Gesamtleitung des Projekts liegt bei Elke Tomala-Brümmer (Kreis Offenbach) und Ingrid Zoller (Schulamt Offenbach). Der Schulversuch wird von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und der Goethe-Universität Frankfurt wissenschaftlich begleitet. Ein Problem sei gegenwärtig noch, weiterführende Schulen für das Modell zu begeistern.May sprach von großen Umwälzungen, bei denen die Frage der Ganztagsschule und der flexiblen Eingangsstufe „im Windschatten mitsegelt“. Bis zur Verwirklichung des Schulprojekts habe es „drei Kultusminister gebraucht“, sagte May in Bezug auf den zeitlichen Rahmen. In Deutschland werde nach wie vor die homogene Lerngruppe als Ziel betrachtet, erklärte die Referentin. Sie forderte, den Fokus, wie in Finnland, auf die Kinder zu lenken.Tim van Slobbe (Pohlheim, Kreis-Ausländerbeirat) bezeichnete den Modellversuch als „Traum von gerechter Schule“.
Gießener Allgemeine, 23.09.2010, Seite 38