Wenn Flüchtlinge in Gießen juristischen Beistand brauchen
Gießen (srs). Ohne Orientierung, mittellos und mit juristischen Fragestellungen überfordert - so irren Flüchtlinge oftmals durch ihre Asylverfahren. Rechtlichen Beistand bieten indes in Gießen unter anderem Studenten der Justus-Liebig-Universität. Am Institut für Rechtswissenschaft organisiert sowie unter Anleitung von Fachjuristen beraten sie Flüchtlinge der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen und vertreten sie bisweilen vor Gericht.
Am Dienstag stellten zwei Helfer der »Refugee Law Clinic« ihre Arbeit im Kreis-Ausländerbeirat vor, der sein Angebot der Rechtsberatung ausbauen will. Denn: »Bedarf gibt es genug«, wie Vorsitzender Tim van Slobbe sagte.
Über das im Dezember 2010 mit dem Hessischen Hochschulpreis für Exzellenz in der Lehre ausgezeichnete Ausbildungsprojekt informierten Janina Gieseking, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Rechtswissenschaft der Justus-Liebig-Universität, sowie Studentin Laura Hilb. Die »Refugee Law Clinic« kooperiert mit dem Evangelischen Dekanat, das ein Beratungsbüro in der Gießener Erstaufnahmeeinrichtung unterhält. Initiiert hat das seit 2007 bestehende Projekt Dr. Paul Tiedemann, Richter am Verwaltungsgericht Frankfurt.
Die Studenten begleiten vor allem minderjährige Flüchtlinge, die ohne Eltern oder weitere Verwandtschaft in der Einrichtung untergekommen sind. »Neuerdings bieten wir auch eine Gruppenberatung für Asylsuchende an, die einer ersten Orientierung im deutschen Asylverfahren dienen soll«, erklärte Gieseking. Seit einem Jahr helfe man zudem Patienten der Uniklinik für Psychiatrie und Psychotherapie mit aufenthaltsrechtlichen Problemen.
Ein Problem sei derzeit, dass Asylbewerber seit wenigen Monaten nicht mehr sofort nach der Antragstellung eine Einladung zur Anhörung erhielten, sondern in vielen Fällen erst, wenn sie die Erstaufnahmeeinrichtung verlassen hätten und bereits in anderen Unterkünften im Landkreis lebten. Dies führe zu Verzögerungen und Komplikationen, Briefe erreichten oft die Asylbewerber nicht. Grund sei wohl eine Arbeitsüberlastung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Hilb berichtete, derzeit seien knapp fünf Studenten beratend tätig - überwiegend Jurastudenten, doch auch solche anderer Fachrichtungen. Der Praxis gingen ein Seminar sowie Praktika voraus. Zudem bespreche man jeden Fall ausführlich im Rahmen einer Supervision.
Kreisverwaltung Gießen: Schwierig, für Flüchtlinge Unterkunft zu finden
Der Kreis-Ausländerbeirat werde darüber beraten, wie eine künftige Zusammenarbeit gestaltet werden könne, kündigte van Slobbe an. Durch Rechtsanwalt Erich Dörsam bietet der Beirat bereits eine juristische Sprechstunde an. Diese dient allerdings lediglich der ersten Orientierung und ist keine Rechtsberatung. Kontakt ist möglich über die Geschäftsstelle des Ausländerbeirats, weitere Informationen unter www.kab-giessen.de .
Die Sitzung fand am Dienstag in der Erstaufnahmeeinrichtung an der Margaretenhütte in Gießen statt. Deren Leiter Volker Möser führte die Beiratsmitglieder durch die Gebäude. Mehrere äußerten sich anschließend »betroffen« und »mitgenommen«.
Die Räumlichkeiten hinterließen einen »finsteren Eindruck«, sagte van der Lobbe. Zu viert auf einem zehn Quadratmeter großen Zimmer sei für traumatisierte Menschen kaum zumutbar, hielt Teresa Mortella fest. Der Ausländerbeirat will die Frage der Unterbringung von Flüchtlingen im Kreis auf die Agenda setzen. Anwesend waren am Dienstag auch Sozialplanerin Ruth Hoffmann und Petra Sommerlad von der Verwaltung des Landkreises, die Gesprächsbereitschaft bekundeten. Es sei schwierig, sagten sie, überhaupt Unterkünfte für Flüchtlinge im Kreis zu finden.
Nach längerer Diskussion einigten sich die Beiratsmitglieder auf die Benennung von Delegierten für die Kreistagsausschüsse: Im Haupt-, Finanz- und Rechtsausschuss sitzen Tim van Slobbe und Maria Alves. Zuständig für Schule, Bauen, Planen und Sport sind Françoise Hönle und Edin Muharemovic. Delegierte für Soziales, Jugend, Frauen, Integration, Gesundheit und Ehrenamt sind Tim van Slobbe und Maria Alves. Die Themen Umwelt, Naturschutz, Abfall übernehmen Serdar Isik und Teresa Martella. Im Gremium für Arbeit, Wirtschaft, Kreisentwicklung und Energie wirken Serdar Isik und Ivan Lappo-Danilevski mit.
Giessener Allgemeine Zeitung, 16.06.2011