Auch zu Hoch erscheinende Hürden lassen sich überwinden
Internationaler Frauentag: Kreis-Ausländerbeirat beschäftigte sich mit Fragen von Migrantinnen im Falle einer Scheidung
Gießen (hin.) Wenn eine Ehe zerbricht, stehen meist die Frauen vor großen Herausforderungen. Wenn dies einer Migrantin widerfährt, stellen sich zusätzliche Fragen - bis hin zum möglichen Verlust der Aufenthaltserlaubnis. Im Rahmen einer öffentlichen Sitzung des Kreis-Ausländerbeirates berichteten Zehra Özogul-Eraslan (Interventionsstelle häusliche Gewalt / Sozialdienst katholischer Frauen) und Rechtsanwältin Selda Demirel‑Kocar über Rechte und Perspektiven. Die Veranstaltung war ein Beitrag zum internationalen Tag der Frau am 8. März. Aus diesem Grund überließ Beiratsvorsitzender Tim van Slobbe (Pohlheim) an diesem Abend die Sitzungsleitung seiner Vorgängerin Francoise Hönle aus Lich.
Frühzeitig das Herz ausschütten
So unterschiedlich wie die Menschen selbst, sind auch die Wege, die Frauen beschreiten, um sich aus einer zerrütteten Ehe oder häuslicher Gewalt zu befreien. Am Beispiel dreier Frauen - erfundene Namen, aber reale Schicksale! - illustrierten die Referentinnen, wie individuell zugeschnitten die Suche nach einer Lösung sich darstellen muss. Die Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt befindet sich unter dem Dach des Sozialdienstes katholischer Frauen. Zehra Özogul-Eraslan plädierte dafür, sich früh mit der Hilfseinrichtung in Verbindung zu setzen. Oft aber kommt der Kontakt erst nach einem polizeilichen Einsatz zustande. Die Interventionsstelle arbeitet nur nach Einverständnis der Betroffenen. Die Helferinnen unterliegen der Schweigepflicht. Die Beratung ist kostenlos.
Özogul-Eraslan hob hervor, dass eine der jeweiligen Situation angepasste Beratung erfolgt. Sie beschrieb aber auch die Schwierigkeit, sich nach vielleicht 20 Jahren Ehe allein auf eine neue Lebensperspektive einstellen zu müssen - ein Problem, das sich nicht nur für Migrantinnen stellt.
Demirel-Kocar erklärte, welche juristischen Aspekte zu bedenken sind, angefangen von der Mindestehebestandszeit in der Bundesrepublik Deutschland. Auch erfolge eine Scheidung nicht automatisch nach deutschem Recht. Demirel-Kocar betonte zudem, dass es möglich sei, unüberwindlich scheinende Hürden eben doch zu überwinden.
Dietmar Weber von der Ausländerbehörde des Landkreises bot an, Fallkonstellationen in anonymisierter Form mit Vertreterinnen der betroffenen Frauen zu besprechen, um Lösungswege zu zeigen. Er bat, Vertrauen in seine Handlungen zu haben. Weber sagte aber auch, dass sehr detaillierte Angaben nötig sind, um zu einem haltbaren Ergebnis zu kommen.
Fragen des Publikums betrafen die sogenannte ’Handschuhehe’, die Gültigkeit von religiösen Zeremonien und Morgengabe-Vereinbarungen.
Im weiteren Verlauf der Sitzung - zuletzt vor fast leerem Saal - waren drei Anträge zu beschließen. Der Ausländerbeirat forderte die Kreisverwaltung dazu auf, Ermessensspielräume zugunsten von nichtdeutschen Frauen, die sich von ihren Ehepartnern trennen zu nutzen. An die heimischen Bundestagsabgeordneten gewandt bat der Beirat, sich für eine bestimmte Änderung im Aufenthaltsrecht einzusetzen. Außerdem unterstützt der Beirat einen Antrag der Koalitionsfraktionen im Kreistag, wonach Hilfsmittel aus dem Verhütungsmittelfonds auch Asylbewerberinnen zugänglich sein sollen.
Gießener Allgemeine, 8.3.2012