Gießener Allgemeine vom 25.09.2013
Mehrsprachigkeit offizielles Anliegen
Mehr als 40 Stände bei zweiter Sprachenmesse in der Kongresshalle
Gießen. „Meine Sprache ist mein Zuhause. Das nehme ich mit, wo auch immer ich gehe. Manchmal halte ich an und lade Dich ein hineinzukommen…“. Dieses Gedicht von Anna-Maria Pietragalla, die an der Volkshochschule Wetzlar Italienisch unterrichtet, konnte man am Dienstag auf der zweiten Sprachenmesse in der Kongresshalle an einigen der über 40 Stände lesen. Es war das Motto der Großveranstaltung im Rahmen der Interkulturellen Woche, organisiert vom Netzwerk Integration – ein Bündnis von Stadt, Landkreis, Ausländerbeiräten, Caritas, Diakonischem Werk und weiteren Einrichtungen.
In diesem Jahr konnten neben Russisch, Litauisch und Farsi auch Albanisch, Bengalisch, Bulgarisch, Finnisch, Griechisch, Hindi, Kameruner Pidgin und Mazedonisch in die präsentierte Sprachenvielfalt integriert werden. Im Zentrum standen Informationen über die Bedeutung der Muttersprache und das Zuhause sein in der Mehrsprachigkeit – aus fachlicher und persönlicher Sicht. Durch interaktive Angebote wie einfache Sprachspiele, Schnupperkurse und Vorträge, ein Sprachenquiz, Einbürgerungstest und vielem mehr konnten verschiedene Sprachen kennengelernt und auch selbst ausprobiert werden.
In Gießen leben augenblicklich ausländische Einwohner aus rund 150 verschiedenen Staaten. Im Landkreis sind es 132. Da es weltweit derzeit 193 anerkannte Staaten sowie 13 weitere Staaten oder Territorien mit umstrittenen Status oder freier Assoziierung zu anderen gibt Staaten gibt, so Marketa Roska vom Kreisausländerbeirat, kann man bei uns gut und gerne von einer kunterbunten Stadt sprechen, die einen hohen Prozentsatz aller existenten Sprachen aufweist. Im Landkreis Gießen leben Tausende Menschen, für die der tägliche Umgang mit mehreren Sprachen selbstverständlich ist. Zwei Tage vor Europäischen Tag der Sprachen wurde deshalb in der Kongresshalle die Sprachenvielfalt gefeiert und zum Nachdenken über Sprache im weiteren Sinne angeregt.
Tanja (24) stammt aus der mazedonischen Stadt Ohrid unweit der albanischen Grenze. Mit knapp 42.000 Einwohnern ist Ohrid nur gut halb zu groß wie Gießen. Trotzdem gibt es hier 365 Kirchen, erzählte Tanja. Ehrenamtlich arbeitet sie in der Migrationsberatung in der Diakonie und engagiert sich zudem für Flüchtlinge. Weil ihr die deutsche Sprache so gut gefiel, kam Tanja als 18-Jährige alleine hier her, um zu studieren.
Charu (30) bot derweil einen kleinen Hindi-Sprachkurs für die Messebesucher an. Sie studiert in Gießen den Master Transition Management, engagiert sich ehrenamtlich im Altenheim und bietet bei der Katholischen Hochschulgemeinde Yogakurse an. In Ihrem Schnupperkurs erklärte Churu den Teilnehmern, dass in Indien allein gut 120 Sprachen gebe, von welchen 17 unter die offiziellen zählen. Die wichtigsten seien Hindi und Englisch.
Am englischen Sprachstand hieß es, dass etwa jeder fünfte Mensch die Weltsprache zu einem gewissen Grad beherrsche. In rund 20 Ländern der Erde gelte Englisch als erste Sprache.
Als kulturelles Begleitprogramm der ganztägigen Messe wurden ein Trommelworkshop, Henna-Tattoos am Hindi-Stand, Tanz und Gesang des Deutsch-Russischen Zentrums sowie diverse kleine Sprachkurse in Kurdisch, Tigrinya und Dari (eine afghanische Sprache) angeboten. Roska und der Vorsitzende des Kreisausländerbeirats, Tim van Slobbe, waren sehr zufrieden mit der Resonanz der Sprachenmesse. In diesem Jahr sei die ganze Veranstaltung auch noch größer aufgezogen worden, auch wenn man dort auf Laufkundschaft hätte zählen können. Für das nächste Jahr wäre eine engere Kooperation mit Schulen wünschenswert. Denn gerade unter den jüngsten Einwohnern mache sich die Interkulturalität immer stärker bemerkbar