Ausländerbeirat unverzichtbar
Diskussionen zu migrations- und integrationsrelevanten Themen
Die Positionen der hessischen Parteien zu migrations- und integrationsrelevanten Themen standen auf der Tagesordnung des Kreisausländerbeirates am Dienstag. Rund 6,2 Millionen Drittstaatler und Ausländer aus den EU-Staaten leben derzeit in Deutschland. Zwar haben EU-Bürger ein kommunales Wahlrecht, sogenannten Drittstaatlern bleibt diese Einflussmöglichkeit verwehrt. Als Ausschluss von grundlegender demokratischer Partizipation und Widerspruch zur Integration der hier oft schon viele Jahre lebenden Menschen sieht dies Tim van Slobbe, Vorsitzender des Kreisausländerbeirats. Schon seit Langem unterstütze der Beirat daher die Kampagne „Kommunales Wahlrecht“.
Von besonderem Interesse waren nun für die Mitglieder bezüglich der bevorstehenden Wahlen migrations- und integrationsrelevante Themen, die ihrer Arbeit und ihrer Lebenssituation entspringen. Bei der Beantwortung der insgesamt acht Fragen, zeigten sich deutlich die bisweilen konträren Grundannahmen und Ausrichtungen der Parteien, aber auch Gemeinsamkeiten. So waren sich die Vertreter von CDU (Dr. Sven Simon), FDP (Andrea Kaup), SPD (Umut Sönmez) und Bündnis 90/Die Grünen (Alexander Wright) einig in der Einschätzung, dass der Ausländerbeirat als unverzichtbarer Bestandteil der kommunalen Politikgestaltung beizubehalten ist. Nur in Regionen, wo dies nicht der Fall sein, konnte sich Wright einen Ausbau der Strukturen - zum Beispiel durch einen Integrationsausschuss - vorstellen.
Alle bedauerten die niedrige Wahlbeteiligung und folgten mit Einschränkung der Einschätzung, dass dies an den eingeschränkten Einflussmöglichkeiten des Beirates liegt. Für Matthias Tampe-Haverkock (Die Piraten) hingegen macht die Forderung seiner Partei nach einem aktiven und passiven Wahlrecht für alle in Deutschland lebenden Menschen einen Ausländerbeirat überflüssig. Bis auf ihn sahen alle Kaditaten eine Notwendigkeit, Pflegekräfte interkulturell und sprachlich auszubilden, um die Versorgung von Migranten im Alter zu verbessern. Simon betonte darüber hinaus die Bedeutung der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse gerade für den Pflegebereich. Er hob den Aspekt der Gerechtigkeit in der Migrations- und Integrationspolitik hervor. Dies zeigte sich deutlich bei seiner kritischen Haltung zur Frage der Anerkennung der Muttersprache als zweite Fremdsprache zur Zulassung zum Abitur oder dem Aufenthaltsrecht von Ehepartnern nach einer Trennung.
In deutliche Opposition traten sowohl die Beiratsmitglieder als auch die anderen Landtagskandidaten zu seiner Einschätzung, dass mit der Erschwerung des Anspruches auf Aufenthalt Zwangsehen eingeschränkt würden. Die Forderung des Beirates, bereits nach zwei Jahren ein Aufenthaltsrecht einzuräumen und die Möglichkeit der Unterstützung wieder von einem auf zwei Jahre auszuweiten, folgten die Kandidaten von SPD und Grüne.
Kontroverse Diskussionen entbrannten auch an der Frage der Bedeutung von Deutschkenntnissen „Wollen wir den Leuten zeigen, dass wie sie ablehnen oder wollen wie sie willkommen heißen?“ fasste Tampe-Haverkock provokant die grundsätzlich unterschiedlichen Positionen seiner Partei zusammen. Dabei folgte ihm jedoch auch der Kreisausländerbeirat nicht immer in seiner Einschätzung der Lebenswirklichkeit nicht-deutscher Einwohner.
Gießener Allgemeine Zeitung, 29.08.2013