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Gemeinsame Erklärung der Ausländerbeiräte Bad Vilbel, Landkreis Gießen, Hofheim am Taunus, Marburg, Rüsselsheim und Landeshauptstadt Wiesbaden
13.12.2024
Wir, die Ausländerbeiräte der Städte Bad Vilbel, Landkreis Gießen, Hofheim am Taunus, Marburg, Rüsselsheim und Landeshauptstadt Wiesbaden sprechen uns entschieden gegen die Einschränkung der Barauszahlung an Geflüchtete im Rahmen der Einführung der Bezahlkarte aus.
Die Möglichkeit einer uneingeschränkten Barauszahlung ist zentral für die Wahrung der Würde und Selbstbestimmung von Geflüchteten. Eine reduzierte Barauszahlung wird ihre finanzielle Autonomie massiv einschränken und die ohnehin herausfordernde Lebenssituation zusätzlich erschweren. Dies wird zu Diskriminierung führen und die gesellschaftliche Teilhabe behindern, anstatt sie zu fördern.
Eine Einschränkung der Barauszahlung wird zudem die Verwaltungsstrukturen vor Ort erheblich belasten. Die Überwachung und Durchsetzung der vorgesehenen Aspekte der Bezahlkarte werden zu einem erheblichen Mehraufwand für die kommunalen Behörden führen. Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass solche Kontrollmechanismen die Kommunen finanziell überlasten, die Verwaltung überfordern und das Risiko von
Verzögerungen und Fehlern erhöhen. Diese Maßnahmen sind kontraproduktiv und stehen im direkten Widerspruch zu dem Ziel, die Verwaltung durch die Einführung der Bezahlkarte zu entlasten.
Die häufig vorgebrachten Argumente für die Einführung der Bezahlkarte und die Einschränkung der Barauszahlung halten einer kritischen Prüfung nicht stand. So wird behauptet, viele Geflüchtete würden Gelder ins Ausland senden. Als lokal engagierte Mitglieder der Ausländerbeiräte und Kennerinnen und Kenner der Betroffenenkreise, können wir diese These nicht bestätigen. Zudem belegt die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), dass Überweisungen ins Ausland überwiegend von bereits seit Jahren in Deutschland lebenden Menschen mit Migrationsgeschichten stammen und
nicht von Geflüchteten. Nur 7 Prozent der Geflüchteten senden überhaupt Geld zu ihren Familien ins Ausland, und diese Beträge stammen überwiegend aus eigenem Einkommen, nicht aus Asylleistungen. Das Argument eines massiven Abflusses von Sozialgeldern ins Ausland ist daher unbegründet, ebenso wie die Behauptung, dass die Bezahlkarte samt der Einschränkung einer Barauszahlung einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung illegaler Migration oder von Schleuseraktivitäten leisten würde. Vielmehr dienen solche Argumentationen dazu, rechtspopulistische Narrative zu bedienen und geflüchtete Menschen pauschal zu stigmatisieren.
Der vom Land Hessen ausgesprochene Richtwert einer Barauszahlung von 50€ ist für Kommunen rechtlich nicht bindend. Die Kommunen haben die Möglichkeit, einen uneingeschränkten Zugang zu Barauszahlungen zu schaffen, um den Geflüchteten eine selbstbestimmte und umfassende diskriminierungsfreie Nutzung ihrer Leistungen zu ermöglichen, die kommunalen Finanzen und die kommunale Verwaltung zu entlasten.
Wir fordern die Kreis-, Stadtverordneten und die Magistrate in unseren Kommunen nachdrücklich auf, diese Möglichkeit zu nutzen und sicherzustellen, dass Geflüchtete uneingeschränkt Zugang zu Bargeld haben, um ihre Rechte auf Selbstbestimmung und Gleichbehandlung zu wahren. Nur so lassen sich eine umfassende Diskriminierung verhindern, Verwaltungskapazitäten sinnvoll einsetzen und eine Teilhabepolitik fördern, die der Vielfalt und den Bedürfnissen unserer Gesellschaft gerecht wird.