Mit den Antworten Frau Schneiders:
Schulpolitik, Schulentwicklungsplan
Es ist allgemein bekannt, dass Schüler mit Migrationshintergrund im deutschen
Schulsystem benachteiligt sind. Sie sind in Förder- und Hauptschulen
überrepräsentiert und in Gymnasien und an den Universitäten unterrepräsentiert.
Wie gedenken Sie als zukünftige Landrätin/zukünftiger Landrat, dieser Situation
gegenzusteuern?
Wir müssen für alle Kinder die besten Vorraussetzungen schaffen, um gute Bildung
von Anfang an zu ermöglichen. Hierzu gehört die frühkindliche Betreuung und
Bildung, die im Schwerpunkt auf die Förderung der Sprachkompetenz setzt. Es ist
bereits von vielen Fachexperten bestätigt worden, dass die Weichen für eine gute
Entwicklung der Kinder bereits sehr früh gestellt werden.
Weiterhin brauchen wir Ganztagsangebote, die auf die Förderung der Schülerinnen
und Schüler setzt – auch mit entsprechenden Förderkurs- und
Hausaufgabenbetreuungsangeboten. Schulangebote im Ganztagsbereich, die
zudem nicht auf eine frühe Aufteilung der Schülerinnen und Schüler setzt, sondern
auf die Förderung entsprechend der Fähigkeiten, Kenntnisse und Neigungen. Hier
hat der Landkreis leider wenig Einflussmöglichkeiten, da die Schulform Landessache
ist.
Die Hessische Verordnung über die sonderpädagogische Förderung sieht die
Förderung in der Regelschule vor, wenn die personellen und räumlichen
Voraussetzungen gegeben sind. Im Rahmen des Konjunkturprogramms wird jetzt viel
Geld in die Landkreisschulen investiert.
Werden Sie in diesem Rahmen die Förderschulen ausbauen oder der Verordnung
entsprechend diese Voraussetzungen an den Regelschulen schaffen?
Die SPD strebt eine Integration an, d.h. eine Förderung in der Regelschule, soweit
dies aufgrund der Schwere der Behinderung möglich ist. Hierzu bedarf es
entsprechender räumlicher Voraussetzungen und eine behindertengerechte
Ausstattung. Eine solche Ausstattung hat die SPD-Kreisfraktion als Kriterium auch in
das Konjunkturprogramm aufnehmen lassen. Ziel ist eine behindertengerechte
Ausstattung an allen Schulen.
Wie stehen Sie zur Erweiterung des Angebots an integrierten Gesamtschulen auf
Grund der hohen Nachfrage?
Einer Erweiterung eines solchen Angebotes stehe ich positiv gegenüber, weil es
gerade auch im ländlichen Raum ein umfassendes Bildungsangebot ermöglicht.
Zudem ermöglichen solche Konzepte ein längeres gemeinsames Lernen. Die
Entscheidungskompetenz hierzu liegt jedoch letztlich beim Land Hessen. Frau
Henzler hat kürzlich in der FR angekündigt, neue Gesamtschulen sollten in Zukunft
drei-zügig sein. Dies würde die Entwicklung eher bremsen und auch die Einrichtung
neuer Gesamtschulen im ländlichen Raum erschweren.
Der Ausländerbeirat ist für längeres gemeinsames Lernen und befürwortet eine
Förderstufe bis mindestens Klasse 6. Wären Sie bereit uns in diesem Anliegen auf
Kreisebene zu unterstützen?
Ein gemeinsamer Unterricht bis zur 6. Klassen kann m. E. nur Vorteile bringen.
Wesentlich ist ein längeres gemeinsames Lernen, wie auch immer das organisiert ist.
Möglich wäre eine 6-jährige Grundschule oder auch eine Förderstufe in der 5. und 6.
Klasse.
In welchem Umfang unterstützt der Landkreis Gießen zur Zeit die Hausaufgabenhilfen
an den Kreis-Schulen?
Wären Sie bereit, dieses Angebot zu erweitern?
Ein ausreichendes Angebot an Hausaufgabenhilfen halte ich für nötig und
erstrebenswert. Meiner Meinung gehören solche Angebote in die Schulen und
müssten dort organisiert und angeboten werden.
Die Vorlaufkurse für Kinder im Kindergartenalter sind nach unseren Beobachtungen
nicht so wirksam, dass sie die vorhandene Benachteiligung ausgleichen könnten.
Welche weiteren Konzepte schlagen Sie für die vorschulische Förderung vor?
Wir brauchen so früh wie möglich ein gutes Angebot an sprachlicher Förderung in
den Kitas. Die Schulen müssen zudem die Ressourcen bekommen, bei Kindern mit
sprachlichen Defiziten flexibel, z. B. mit intensiven Sprachunterricht in kleinen
Gruppen, reagieren zu können.
Sprach- und Integrationskurse
Zahlreiche Migrantinnen und Migranten, die neu nach Deutschland kommen oder
schon lange hier sind, besuchen „Sprach- und lntegrationskurse".
Wir freuen uns über die erfolgreichen Bemühungen der Kreisvolkshochschule in
Zusammenarbeit mit dem BAMF dieses Angebot ständig zu optimieren.
Wir haben festgestellt, dass in verschiedenen Kreisgemeinden Kurse erst nach
längerer Zeit (oder gar nicht) zustande kommen konnten, weil es schwer war die
geforderten Teilnehmerzahlen zu erreichen.
Welche Maßnahmen können Sie sich vorstellen, um die Existenz und Attraktivität der
Kurse bekannter zu machen?
Zunächst würde ich eine enge Zusammenarbeit mit dem Kreisausländerbeirat in
diesen Fragen begrüßen. Aufgrund Ihrer Kenntnisse, Erfahrungen und Kontakte
müsste auf der Grundlage des Bestehenden ein verbessertes Öffentlichkeits- und
Werbekonzept entwickelt werden. Soweit dies finanziell darstellbar ist, werde ich
erfolgversprechende Werbemaßnahmen gerne unterstützen. Hier sollte die KVHS
entsprechend mit einbezogen werden.
Zielsetzung und Arbeit der Kreisausländerbehörde
Wären Sie, angesichts der Tatsache, dass die Bundesrepublik ein Einwanderungsland
ist und es bleiben wird und muss, bereit, die Ziele und die Ausstattung der
Ausländerbehörde zu überdenken?
Die Zielsetzung der Ausländerbehörde ist der Vollzug des Aufenthaltsgesetzes. In
diesem Sinne sind die Menschen zu beraten und Anträge zu bearbeiten. Als
Landrätin will ich gerne für ein wechselseitiges Verständnis zwischen den
Mitarbeitern der Ausländerbehörde, die einen schweren Job machen, und den
ausländischen Einwohnern werben und eintreten.
Sind Sie auch der Meinung, dass eine moderne Ausländerbehörde ein
„Servicezentrum“ für Migrantinnen und Migranten sein müsste und nicht so sehr als
„Gefahrenabwehrbehörde" verstanden werden sollte?
Die Ausländerbehörde hat für mich im Wesentlichen die Funktion, den legalen
Aufenthalt zu fördern und zügig Anträge auf Aufenthaltstitel zu bearbeiten. Hier steht
für mich im Vordergrund, dass die betroffenen MigrantInnen mit Respekt behandelt
und im Sinne des Gesetzes gut beraten werden.
Bleiberecht
Im Zuge der Bleiberechtsregelungen für so genannte „Altfälle“ haben zahlreiche
Personen im Jahr 2007 eine bis Ende 2009 befristete Aufenthaltserlaubnis auf Probe
erhalten.
Wie sehen Sie die Zukunft dieser Personen, wenn sie bis dahin keine feste Arbeit
finden konnten?
Die Zukunft dieser Personen wird von einer Reform des Bleiberechts abhängen. An
dieser Stelle trete ich – gerade auch vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen
Krisensituation für eine entscheidende Verlängerung der Frist ein. Aus humanitären
Gründen, wäre auch ein Aussetzen der Frist zu vertreten. Hierzu habe ich dem
Bundestagsabgeordneten Rüdiger Veit die Resolution des Kreisausländerbeirates
übergeben und ihn gebeten sich für eine solche Politik in Berlin stark zu machen.
Wären Sie für eine großzügige Umsetzung der Regelung in dem Sinne, dass eine
Aufenthaltserlaubnis auch erteilt wird, wenn die Voraussetzungen erst teilweise erfüllt
sind?
Dies würde nichts nutzen, da entsprechende anderslautende gesetzliche
Regelungen bestehen (siehe oben). Es ist mir als Landrätin nicht möglich, mich über
geltende Gesetze hinweg zu setzen. Hier unterstütze ich, wie oben dargestellt,
entsprechende Initiativen zur gesetzlichen Änderung der Bleiberechtsregelung.
Weiterhin unterstütze ich die Aktion „Save me“.
Kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger
EU-Bürger und Bürgerinnen nehmen an den Kommunalwahlen teil.
Die hessischen Ausländerbeiräte beteiligen sich in diesem Jahr an der Kampagne
„Demokratie braucht jede Stimme! – kommunales Wahlrecht für alle“.
Würden Sie Sich für das Kommunalwahlrecht auch für Nicht-EU-Bürger einsetzen?
Dies beantworte ich uneingeschränkt mit einem klaren Ja!
Arbeit
Sind Sie auch dafür, dass Arbeitserlaubnisse großzügig an geduldete Migrantinnen
und Migranten erteilt werden?
Das Aufenthaltsgesetz trifft in § 10 der Beschäftigungsverfahrensverordnung bereits
eine Regelung für geduldete ausländische Einwohner. In Bezug auf diese Regelung
würde mich interessieren, welche Kritikpunkte Sie hierzu haben.
Wie sehen Sie die Zukunft der ZAUG GmbH? Würden Sie sich dafür einsetzen, dass
Gelder aus dem Konjunkturpaket nach Möglichkeit auf Kreisebene auch in Arbeit und
Qualifizierung für Arbeitssuchende und Benachteiligte investiert würden?
Die Gelder aus dem Konjunkturprogramm sind zweckbestimmt und der mögliche
Einsatz ist klar definiert. Es gibt jedoch über EU-Förderprogramme aus dem ESF
Möglichkeiten Projekte und Angebote zur Qualifizierung von Arbeitssuchenden und
Benachteiligten zu finanzieren. Darüber hinaus stehen in Gießen ca. 14 Mio EUR für
Eingliederungshilfen zur Verfügung. Mit diesen Mitteln muss es unser Ziel sein, ein
aktives Fördern durch entsprechende Qualifizierungsangebote,
Stabilisierungsangebote und Soziale Hilfen zu ermöglichen. Ausbildung und
Qualifizierung ist der Schlüssel zur Integration und zum Arbeitsmarkt. Hierbei ist
Zaug ein wichtiger, nicht wegzudenkender Partner.
Soziale Dienste
Die Sozialen Dienste sind in den Ortschaften des Landkreises weitgehend abgebaut
worden.
Wären Sie bereit, wieder mehr Beratungsangebote dezentral einzurichten?
Grundsätzlich halte ich ein dezentrales Beratungsangebot für wichtig. Ob und wie
eine Umsetzung möglich ist, muss anhand von verschiedenen Kriterien entschieden
werden. Hierzu zählt auch die Finanzierbarkeit.
Lich hat durch die Einstellung eines „street-workers“ erste positive Erfahrungen mit
aufsuchender Sozialarbeit gemacht.
Wären Sie bereit, solche Projekte auch in anderen Kreiskommunen zu initiieren und
zu fördern?
Diese positiven Erfahrungen in Lich müssen mit den Kreiskommunen kommuniziert
werden. Auf der Grundlage der Licher Erfahrungen und den jeweiligen Situationen
vor Ort lässt sich dann entscheiden, welches Angebot vor Ort das Richtige ist.
Rechtsextremismus
Unter der ehemaligen Sozialdezernentin Frau Elies ist eine Studie zu rechten
Jugendcliquen im Landkreis Gießen erstellt und 2002 veröffentlicht worden.
Würden Sie eine Fortschreibung dieser Studie befürworten und in Auftrag geben?
Ja, rechtsextreme Gewalt hat wieder zugenommen und es besteht die Gefahr, dass
diese - in Zeiten der Krise – weiter zunimmt. Wichtig ist jedoch auch, dass wir
Konzepte entwickeln, z. B. durch Jugendarbeit, durch Arbeit an den Schulen etc. wie
wir der rechtsextremen Gewalt begegnen wollen.