Kreisausländerbeirat befragt Siegfried Fricke und Anita Schneider vor den Landratswahlen
Der Ausländerbeirat des Landkreises hat die Kandidatin und den Kandidaten für die Landratswahlen am kommenden Sonntag zu Themen befragt, die für das Leben vieler ausländischer Menschen mit und ohne Wahlberechtigung für die Kommunalwahlen aber auch für viele eingebürgerte Kreisbewohner von Bedeutung sind.
Anita Schneider und Siegfried Fricke antworteten schriftlich auf die Fragen zu den Themen Schule, Sprach- und Integrationskurse, Ausländerbehörde, Bleiberecht, kommunales Wahlrecht, Arbeit, Soziale Dienste und Rechtsextremismus.Wir bedanken uns bei beiden Kandidat(in)en sehr herzlich für die ausführlichen, zuvorkommenden und kompetenten Antworten und fassen im Folgenden die wichtigsten Gemeinsamkeiten und Unterschiede zusammen:Beide Kandidat(in)en teilen offensichtlich unser Bewusstsein für die Bedeutung der Bildung auf den Gebieten Frühförderung, Ganztagsbereich, Aufgabenbetreuung etc. und sagen uns Unterstützung im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu. Dabei steht die SPD-Kandidatin unserer Vorstellung von möglichst langen gemeinsamen Schullaufbahnen und möglichst großer Entlastung für die Elternhäuser deutlich näher. Aber auch der CDU-Kandidat bekennt sich z.B. zur neu eingeführten Schulsozialarbeit im Landkreis Gießen und verspricht sich hier für einen Ausbau einzusetzen. Hinsichtlich der von uns so oft angesprochenen Sonderschulproblematik vermissen wir in der Antwort von Frau Schneider ein klares Bewusstsein dafür, dass es hier nicht nur um die Integration Behinderter geht, sondern in starkem und leider zunehmenden Ausmaß auch um die Zukunft vieler nicht behinderter Schüler mit Migrationshintergrund. Herr Fricke sieht zwar die massiven Probleme dieser Schüler im Bereich Erziehungshilfe, verweist aber als Ausweg auf die Elternhäuser. Wir aber sind der Meinung, dass der Aufbau von Sozialkompetenzen, neben dem Familienhaus, auch Kernaufgabe der Schule ist.Beide Kandidat(in)en sagen Unterstützung zu, wenn es darum geht die Existenz und Attraktivität der Sprach- und Integrationskurse bekannter zu machen, um so auch im ländlichen Raum höhere Teilnehmerzahlen zu erreichen. Wir werden deshalb den neuen Landrat oder die neue Landrätin bitten das Problem in der Bürgermeisterdienstversammlung anzusprechen und sich dafür einzusetzen, dass die Gemeinden, zusammen mit der Kreisvolkshochschule, alle potentiellen Interessenten anschreiben – diese Vorgehensweise hat es bisher nach unserem Wissen nur in Heuchelheim gegeben, dafür aber mit großem Erfolg.Unsere Frage nach dem Engagement für eine Verlängerung der Probezeit für das Bleiberecht beantwortet Herr Fricke nur vorsichtig – er will das Problem durch Schaffen von mehr Arbeitsplätzen angehen. Frau Schneider tritt aus humanitären Gründen für eine Reform des Bleiberechts und eine Fristverlängerung ein und hat hierzu bereits eine Petition des Ausländerbeirates an den Bundestagsabgeordneten Rüdiger Veit weiter gereicht.Beide Kandidat(in)en erkennen die Bedeutung der ZAUG an und wollen sich auch sonst für die Schaffung neuer Arbeits- und Ausbildungsplätze in der Region engagieren.Auf unsere Forderung nach mehr dezentraler sozialer Beratung in den Ortschaften des Landkreises antworten beide Kandidat(in)en vorsichtig – sie sehen aber beide die Vorteile und versprechen die Möglichkeiten zu prüfen.Unserer Bitte nach der Fortschreibung der Studie „Rechte Jugendcliquen im Landkreis Gießen“ würde Herr Fricke nachkommen, wenn diese sich als wissenschaftlich sinnvoll erweist. Frau Schneider würde ebenfalls eine Fortschreibung befürworten und möchte darüber hinaus wegen der Zunahme rechtsextremer Gewalt an Konzepten gegen Rechtsextremismus durch Jugendarbeit, Schule usw. mitwirken. Unterschiedliche Auffassungen herrschen in Bezug auf unsere Forderung nach einem kommunalen Wahlrecht auch für Nicht-EU-Bürger mit festem Wohnsitz. Während SPD-Kandidatin Schneider den Ausländerbeirat hier uneingeschränkt unterstützen möchte, teilt CDU-Bewerber Fricke die Auffassung des Ausländerbeirates nicht und lehnt die Einführung des kommunalen Wahlrechts für Drittstaatler ab. Statt dessen plädiert er für die Einbürgerung als Ziel eines erfolgreichen Integrationsprozesses. Hier wünschen wir uns natürlich ein baldiges Umdenken der CDU/CSU – dies wäre ein bedeutendes Signal an die Ausländer, dass ihr Beitrag zur Gesellschaft geschätzt wird (und könnte bei vielen das gewünschte Loyalitätsgefühl stärken und im Endeffekt vielleicht zu mehr Einbürgerungen führen). Wir würden es sehr begrüßen, wenn der Landkreis Gießen sich zum Kommunalwahlrecht bekennen würde und sich mit den Ausländerbeiräten, Parteien, Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften zusammen dafür beim Land und beim Bund stark machen würde.Die vollständigen Fragen und Antworten im Wortlaut sind auf der Homepage des Kreisausländerbeirates www.kab-giessen.de nachzulesen oder beim Infostand des Ausländerbeirates zur Kampagne „Demokratie braucht jede Stimme – kommunales Wahlrecht für alle“ auf dem Marktplatz in Gießen am Samstag von 11-16 Uhr zu bekommen.