Oft „Finger in die Wunde“ zur Sensibilisierung deutscher Köpfe
Ausländerbeirat des Landkreises Gießen feiert 15. Geburtstag mit zahlreichen Gästen
KREIS GIESSEN (mbe). „Es hat sich gelohnt, dieses Gremium zu installieren.“ Das sagte Werner Döring, über Jahre Leiter des Staatlichen Schulamtes Gießen, gleichzeitig zuvor lange Ausländerbeauftragter, beim Neujahrsempfang und der gleichzeitigen Feier anlässlich des 15jährigen Bestehens des Kreisausländerbeirates. Mit leckerem internationalem Buffet wurde im Zentrum für Interkulturelle Bildung und Begegnung (ZIBB) gefeiert.
Vorsitzende Francoise Hönle begrüßte viele Gäste, beispielsweise Abordnungen der yezidischen Gemeinde Lollar oder der alevitischen Gemeinde Laubach, zum Beispiel auch den Landtagsabgeordneten Wolfgang Greilich, viele andere Vertreter politischer Parteien, bis hin zu Thomas Weyrauch vom Giessener Bundesamt für Flüchtlinge.
Die Landkreisspitze war bei einer Veranstaltung in Wettenberg und konnte nicht anwesend sein. Alle Anwesenden waren sich des Stellenwertes und der guten und wichtigen Arbeit des Kreisausländerbeirates bewusst und würdigten diese. Hönle meinte: „Wir haben Menschen aus vielen Ländern zusammengeholt, wir mögen Vielfalt“.
Den musikalischen Auftakt bildete die Musikgruppe „Die Erde“ des Jugend- und Kinderwohnheims St. Stephanus mit Nader Madjidian, die mit flotter Musik und Tanz begeisterten. Ebenso sorgte Mehmet Yildiz für ein musikalisches Zwischenspiel und Ghodrattolah Giahi sorgte später mit seiner persischen Santur, einem trapezförmigen hölzernen, mit leichten Holzschlegeln gespieltem Instrument, für den musikalischen Ausklang.
Werner Döring berichtete zum Auftakt von der Entstehung des Kreisausländerbeirates, seinem eigenen, besonders zu würdigenden Engagement und blickte auch auf viele frühere Weggefährten, nannte aber beispielsweise auch den anwesenden Vorsitzenden des Kreisausländerbeirates Dr. Ali Alavi, der dieses Gremium wesentlich geprägt habe. Döring hatte sich ab 1991, wie er locker und mit Augenzwinkern und nur mit einem kleinen Spickzettel bewaffnet, berichtete, in seiner Dienstsstelle gewissermaßen die Freiheit genommen, ausländische Schüler als so genannte Seiteneinsteiger für das Schulleben fit zu machen. Denn ganz klar war seine Aussage: „Die beste Möglichkeit der Integration ist es, die deutsche Sprache zu erlernen“. Mit dem „Anzapfen“ verschiedenster Geldquellen war es ihm gelungen, Lehrer zunächst mit dem außerschulischen Unterricht zu beauftragen. Schließlich reagierte der Regierungspräsident, Eltern wurden eingeladen, nach und nach habe sich schließlich angesichts 137 im Landkreis lebende Nationalitäten die Notwendigkeit ergeben, einen Kreisausländerbeirat zu installieren. 30 Prozent Wahlbeteiligung bei der ersten Wahl am 7. November 1993 seien schließlich ein gutes Ergebnis gewesen.
Döring erläuterte, der Kreisausländerbeirat lege oft „die Finger in die Wunde“, um die deutschen Köpfe für seine Probleme „zu sensibilisieren“. Für die Zukunft und weitere Arbeit wünschte er alles Gute.
Vorsitzende Francoise Hönle blickte auf das Jahr 2009 zurück, versprach, auch im Jahr 2010 im Rahmen der Möglichkeiten Menschen zu unterstützen und blickte auch schon auf die am 7. November 2010 anstehenden Ausländerbeiratswahlen und hoffte auf eine höhere Wahlbeteiligung.
Die Fortsetzung von 2009 begonnenen Kleinprojekten von Migranten für Migranten und auch von Deutschen für Migranten versprach sie, blickte auf das Leben von Menschen ohne Papiere, berichtete vom Thema Bleiberechtsregelung, von den Tätigkeiten bei der Schulsozialarbeit und kündigte auch die weitere Beschäftigung mit dem Thema „Zukunft der Ausländerbeiräte“ an. Schulpolitik, frühe Auslese in Klasse vier, stehen für 2010 als Themen an. Es gelte dabei schließlich, für eine Schule für alle zu streiten.
Weiterhin wolle man verstärkt den Dialog mit politischen Gremien im Landkreis suchen, im Kontakt mit möglichst vielen Migranten stehen und die Zusammenarbeit mit Vereinen stärken.
Giessener Anzeiger, 01.02.2010