STAATSANGEHÖRIGKEIT SCHEIDET WEITER DIE GEISTER
Informationsabend des Kreisausländerbeirats zur Entscheidungspflicht für junge Erwachsene mit Veit und Noeske
(cvg). Optionspflicht: Für ganz normale Deutsche, die von jeher nur eine Staatsangehörigkeit haben, ist das kein Thema. Für Familien, deren Wurzeln nicht deutsch sind, kann es aber eins sein. Im Kreis sind laut statistischem Landesamt rund 18 670 Bürger direkt oder durch Familienangehörige von der Frage betroffen, wie, ob und für welche Staatsangehörigkeit sie sich entscheiden sollten. Dass die Positionen dazu alles andere als einheitlich sind, skizzierte ein Informationsabend des Kreisausländerbeirats im Landratsamt mit Vertretern des Regierungspräsidiums und Politikern.
„Sehen Sie doch einfach mal in Ihren Pass“ und „Ich fühle mich eigentlich nicht zerrissen mit zwei Staatsangehörigkeiten“: Wenn es um das Für und Wider der einfachen Staatsangehörigkeit geht, scheinen die Fronten auch Jahre nach der Unterschriftenaktion der CDU/CSU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft klar. Für die einen reicht es völlig, eine Staatsangehörigkeit und damit ein klares Bekenntnis für das Land, in dem sie leben, zu haben, für die anderen ist es aus dem gleichen Grund, kein Problem, Doppelstaatler zu sein. Diese Stimmung wurde während der Informationsveranstaltung mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Rüdiger Veit, dem stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Kreistagsfraktion Dr. Gerhard Noeske sowie Lucie Cordes und Günter Mayer als zuständigen Vertretern des Regierungspräsidiums deutlich. Thema war die Optionspflicht, die junge Erwachsene trifft, die 21 Jahre alt sind. Sie trifft sie dann, wenn sie Kinder ausländischer Eltern sind und unter bestimmten Bedingungen neben der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern auch die deutsche haben.
Für den Niederländer Tim van Slobbe, den Vorsitzenden des Kreisausländerbeirats, stellt die doppelte Staatsangehörigkeit keine Schwierigkeit dar, sich mit Deutschland zu identifizieren, in ähnlicher Weise sahen es auch andere Teilnehmer des Abends, der von Flüchtlingspfarrer Hermann Wilhelmy moderiert wurde. Die Frage, ob die Debatte und die Entscheidung überhaupt in die Öffentlichkeit oder in die Fachöffentlichkeit von Experten gehöre, beurteilten Noeske und Veit unterschiedlich. Für Noeske, der ein klares Plädoyer für nur eine Staatsangehörigkeit ablegte, kommt es darauf an, dass diejenigen, die nur sie von Geburt an haben, „nicht beschädigt werden“. Im Übrigen könne die doppelte oder mehrfache Staatsangehörigkeit zu Loyalitäts- oder Identitätskonflikten führen. Mit der Aussage, dass hingegen eine Staatsbürgerschaft auch bei der Einbürgerung nicht verloren gehen soll, unterstrich Veit die Position der SPD und distanzierte sich gleichzeitig von der Linken, die keinerlei Bedingungen an den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit knüpfen will. „Wer kriminell ist, sollte die deutsche Staatsangehörigkeit nicht bekommen“, sagte Veit. Lucie Cordes und Günter Mayer erläuterten die rechtliche Praxis. Nach den Vorschriften des Staatsangehörigkeitsgesetzes müssen sich volljährige „Optionskinder“, deren Eltern beide Nichtdeutsche sind, bis zum 23. Geburtstag entscheiden. Für EU-Bürger sei das Verfahren einfach, legte Cordes dar. Kinder von EU-Bürgern können ihre Staatsangehörigkeit behalten, wenn sie eine Beibehaltungserklärung abgeben. Für individuelle Beratung stehe das Regierungspräsidium zur Verfügung. Dass die gegenwärtige Praxis in ihrer Anwendung eher zu mehr Ärger führt und der Integration abträglich ist, unterstrichen sowohl die Vertreter des Regierungspräsidiums wie der Kreisausländerbehörde. Cordes stellte fest, es sei die Aufgabe der Politik, für eine klare Linie zu sorgen. Bernd Carle, Leiter der Kreisausländerbehörde, sagte, es sei eigentlich ein Unding, jemanden, der hier geboren und aufgewachsen sei, nur deswegen die Staatsangehörigkeit zu nehmen, weil vergessen wurde, eine entsprechende Erklärung abzugeben. Genau das geschieht aber nach der gegenwärtigen Rechtslage.
Giessener Anzeiger, 18.11.2011