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»… dann greifen die üblichen Mechanismen «
Kreisausländerbeirat erörterte mit Kommunalpolitikern Fragen zur Kreispolitik – Keine Einstimmigkeit bei Antragsrecht
Gießen (süd). Vertreter aller neun Partien und Gruppierungen, die am Sonntag zur Kreistagswahl antreten, waren am Dienstag Gast in einer Sitzung des Kreisausländerbeirates. Dieser hatte seit seiner Neuwahl im November Fragen an die Kommunalpolitiker vorbereitet, um deren Meinung zu Migranten betreffenden Themen zu hören. Neun Politiker, begrenzte zeit: da blieb natürlich vieles in Ansätzen stecken. begrüßt wurden die Gäste im Konferenzraum des Landratsamtes vom Vorsitzenden des Ausländerbeirates, Tim van Slobbe. Er hatte zusammen mit Marketa Roska vom Büro des Beirates in der Kreisverwaltung die Sitzung vorbereitet.
In der Runde saßen Heinz-Peter Haumann (CDU), Horst Nachtigall (SPD), Selda Demirel- Kocar (FDP), Dr. Christiane Schmal (Grüne), Dennis Stephan (Linke), Günther Semmler (Freie Wähler), reinhard Hamel (Linkes Bündnis), Arne Koch (Piraten) und Sabine Lochnit (Wir).
Inhaltlich ging es um eine interkulturelle Öffnung der Verwaltung, eine Zusammenlegung der beiden Volkshochschulen, die Realisierung der Inklusion im Schulenentwicklungsplan, Projekte zur gemeinsamen vorschulischen Förderung aller Kinder ( Migranten und Nichtmigranten) und die Einrichtung neuer Asylbewerber- Sammelunterkünfte. Und: „Was schlagen Sie vor, um den hohen Arbeitslosigkeit unter den Migranten entgegenzuwirken?“
Gut eine Stunde lang äußerten die Politiker ihre Meinung, danach sollten die Ausländerbeiräte und Gäste Fragen stellen können. „Migranten sollen hier zu Wort kommen“, hatte der Niederländer van Slobbe zu Beginn gesagt, sie sollten ihre Anliegen in dieser Gesprächstunde äußern. Oder auch Sorgen und Probleme, wie ein Beiratsmitglied ergänzte. Aber einige Kandidaten nutzen die Gelegenheit, auch zu den anderen Themenkomplexen, zu denen sie zuvor nicht gehört wurden, ihre Position kundzutun oder die Aussage eines anderen richtig zu stellen, sodass es doch wieder vor allem ein Meinungsaustausch der Kommunalpolitiker war. Ein Bild von den Kandidaten konnten sich die Migranten dennoch machen.
Eine Berichterstattung zu allen Fragen wäre an dieser Stelle zu umfangreich. deshalb sei hier die erste herausgegriffen – jene nach einer interkulturellen Öffnung der Verwaltung.
Schmal regte Fortbildungen der Führungskräfte und der Abteilungen mit Kundenverkehr an, wünschte sich zudem für die Ausländerbehörde einen Schwerpunkt Begrüßungskultur. Haumann meinte, er könne „nahezu alles unterstützen“, was Schmal gesagt habe. Der Ausländerbeirat solle zum Gesprächspartner des Personalrats werden, um ihn zum Beispiel bei Neueinstellungen zu hören. Später in der Diskussion gab es weitere Äußerungen zu diesem Thema.
In der Kreisverwaltung Gießen gibt es bereits „ganz schön viele“ Migranten
So forderte Hamel, 20 Prozent der Ausbildungsplätze mit Migranten zu besetzen, wenn diese die gleiche Qualifikation mitbringen. Das wies Schmal als „nicht seligmachend“ zurück. Roska informierte, dass es „ganz schön viele“ Migranten in der Kreisverwaltung gebe. Die seien eingestellt worden, „weil die gut waren“.
In der Diskussion wurde schließlich noch die Frage nach einem Antragsrecht des Ausländerbeirates an den Kreistag gestellt. Dadurch können Initiativen der Migranten gefördert, Kontakte zu den Entscheidungsträgern hergestellt werden. Hier gingen die Meinungen der Parteienvertreter auseinander. Stephan, Schmal, Hamel und Nachtigall unterstützten das Anliegen. Ein Antragsrecht sei wünschenswert, so der Sozialdemokrat, die Diskussion sei nicht neu, „bisher ist es nicht dazu gekommen“. Ablehnend hingegen äußerten sich Demirel-Kocar und Haumann. Ein solches recht müsse dann auch anderen Beiräten eingeräumt werden, das seien zu viele. Migranten sollen in die Parteien gehen, sagte die FDP- Kandidatin.
Haumann meinte, der Kreisausländerbeirat könne sich an die Fraktionen wenden, die dann die Anträge stellen könnten. Das aber wies Vorsitzender Tim van Slobbe zurück: „Wir arbeiten überparteilich.“ Wenn man sich an eine Fraktion wende, „greifen die üblichen Mechanismen“, das wolle der Ausländerbeirat nicht.
Giessener Allgemeine, 24.03.2001