(wie). „Begabungsgerechte Schule“ war das Stichwort in der jüngsten Sitzung des Kreisausländerbeirats in der Gesamtschule Busecker Tal. Claudia May stellte in Vertretung von Elke Tomala-Brümmer, der Gesamtleiterin des Projekts, einen Modellversuch aus dem Kreis Offenbach vor.
Es handelt sich dabei um einen Schulversuch, bei dem Schüler und Schülerinnen mit Lernschwierigkeiten unter Verzicht auf sonderpädagogische „Aussortierung“ in ihren jeweiligen Grundschulen verbleiben. Sie werden dort zusammen mit den Kindern ohne Lernschwierigkeiten unterrichtet, obwohl von grundsätzlich ungleichen Kompetenzen und Entwicklungsständen der Schulanfänger auszugehen ist. Damit will man der UN-Behindertenkonvention zuarbeiten, die seit dem 26. März 2009 auch in Deutschland geltendes Recht ist. In dieser Konvention verpflichten sich alle Vertragsstaaten, Menschen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem auszuschließen. Der vom Hessischen Kultusministerium genehmigte Offenbacher Schulversuch findet derzeit an vier Grundschulen im Landkreis Offenbach statt.
Nicht alle gleich
Der Name „begabungsgerechte Schule“ bedeute nicht, dass all diese Kinder auf den gleichen Stand gebracht werden sollen, sondern dass jedes Kind mit seinen jeweils unterschiedlichen Voraussetzungen individuell gefördert werde. Regelschullehrer und Förderschullehrer arbeiten dabei eng zusammen. Sie halten den Entwicklungsstand aller Schülerinnen und Schüler fest und erstellen darauf basierend individuelle Förderpläne für die Kinder, die allerdings auch praktikabel sein müssen. Für diese Aufgaben werden den Schulen zusätzliche personelle und sächliche Mittel zur Verfügung gestellt. So bekam zum Beispiel jede am Schulversuch im Landkreis Offenbach teilnehmende Schule eine Sozialarbeiterin zugeteilt, die Ansprechpartnerin gleichermaßen für Schüler, Lehrer und Eltern ist. Sie soll dabei allerdings nur aufgrund ihres „Know-Hows“ die Möglichkeiten der Lösung bestehender Probleme aufzeigen. Die Verantwortung verbleibt bei der jeweiligen Lehrkraft.
Die Folge dieser „inklusiven“ Pädagogik sei vielleicht nicht, dass alle Kinder alle Bildungsziele erreichen, so Claudia May. Aber man könne in Ländern, in denen schon länger auf diese Weise unterrichtet werde, sehen, dass sie gut funktioniere. Eines der wichtigsten Ziele dieser Beschulungsform sei es, die Schule für Kinder zu einem Ort zu machen, wo sie gerne hingehen und eben nicht der Aussonderung unterliegen. Deshalb wird auch lange auf die Benotung der Kinder verzichtet. Allerdings haben die Offenbacher Eltern ab Ende der 3. Klasse das Recht, eine Benotung ihrer Kinder zu fordern.
Auch in Lich gibt es seit dem Beginn des Schuljahres 2010/11 eine Kooperationsklasse mit „inklusivem Handlungsansatz“, in welcher erstmals Erstklässler der Anna-Freud-Förderschule und der Erich- Kästner- Regelgrundschule gemeinsam unterrichtet werden.
Gießener Anzeiger